Wie wir Hass im Netz begegnen können – mit systemischer Haltung und Empathie

Wie wir Hass im Netz begegnen können – mit systemischer Haltung und Empathie

Hass im Netz

Hass im Netz: Warum wir systemisch denken sollten

Rund um die Bundestagswahl 2025 wurde der Ton in sozialen Netzwerken noch einmal rauer. Hasskommentare, Hetze und Polarisierung nehmen zu. Doch wie können wir als Gesellschaft – und als Einzelne – auf Hass im Netz reagieren?

Bei einer Omas gegen Rechts-Demo in Hamburg fiel mir ein Sprechchor besonders auf: „Ganz Hamburg hasst die AfD.“ Ich sprach die Worte mit, doch etwas in mir stockte. Ich konnte sie nicht laut rufen. Der Grund: Ich hasse keine Menschen. Nicht einmal solche, deren Überzeugungen ich grundlegend ablehne.

Denn Hass ist kein gesunder Dauerzustand. Vielmehr könnte er Ausdruck und damit  Symptom von Überforderung, Verständnislosigkeit, Schmerz sein. Unsere systemische Haltung lehrt uns: Hinter jedem Verhalten steckt eine – oft unbewusste – gute Absicht. Wenn wir uns erlauben, nach dieser Absicht zu fragen, entsteht ein Raum für Perspektivwechsel.

Systemische Haltung statt digitaler Empörung

Was bringt Menschen dazu, sich radikal zu äußern oder rechtspopulistischen Parteien wie der AfD zuzuwenden? Was fehlt ihnen? Was versuchen sie zu schützen?

Diese Fragen verschieben den Fokus: weg vom reinen Verurteilen hin zum Verstehen. Ein solcher Perspektivwechsel ist kein Freibrief für Hass, sondern ein Schutzschild für die eigene Integrität – besonders im digitalen Raum.

Statt Hass mit Hass zu beantworten, brauchen wir Haltung. Und Haltung zeigt sich im sachlichen, friedlichen und empathischen Kommunizieren – selbst (oder gerade dann), wenn es schwerfällt.

Praktische Tipps gegen Hass und Hetze in sozialen Medien

  • Nicht emotional einsteigen: Wird eine Diskussion hitzig oder aggressiv, verlasse sie. Emotionale Eskalation ist im digitalen Raum besonders wahrscheinlich, da der nonverbale Anteil der Kommunikation fehlt (70–80 % unserer Kommunikation).
  • Kommentare melden: Wenn Beiträge gegen Richtlinien oder Gesetze verstoßen, nutze Meldefunktionen (z. B. HateAid).
  • Inhaltlich gegenhalten – mit Fakten und Empathie: Statt pauschaler Gegenwehr lieber nachfragen, sachlich antworten, menschlich bleiben.
  • Persönliche Grenzen wahren: Wer sich erschöpft fühlt, darf sich zurückziehen. Digitaler Aktivismus braucht innere Ressourcen.

Stimmen aus meinem Netzwerk: Umgang mit Hass beginnt im Kleinen

Ich habe mein Netzwerk gefragt, wie wir Hass im Netz systemisch und menschlich begegnen können. Hier eine Auswahl der Antworten:

🔹 Julia:

„Ich erzähle bewusst von positiven Erfahrungen mit Kindern verschiedener Herkunft – als Gegengewicht zu Vorurteilen. Und ich höre gut zu: Wo liegt das eigentliche Problem meines Gegenübers?“

🔹 Patricia:

„Wenn das Persönliche zu schmerzen beginnt, hilft rauszuzoomen. Wenn das Weltgeschehen überfordert, hilft es, reinzuzoomen.“

🔹 Luisa:

„Das Wutgebrüll ist ohrenbetäubend. Stattdessen: Ängste benennen, Sorgen anerkennen, klare Kante zeigen – ohne Hass zu reproduzieren.“

🔹 Dana:

„Wenn die Energie reicht, mit Liebe und einem Lächeln antworten. Wenn nicht: Rückzug in die Natur.“

🔹 Zelije:

„Aufklärung statt Urteil. Haltung statt Reaktion. Und: Zusammenhalt fördern – auch durch rechtliche Rahmen.“

🔹 Christian:

„Ist das Volk müde von leeren Versprechen und politischem Versagen? Auch wenn ich Hass ablehne – vielleicht macht das seine Wurzeln verständlich?“

Schlussgedanken: Haltung zeigen – online wie offline

Systemisch zu denken bedeutet nicht, alles zu erklären oder gutzuheißen. Es heißt, nicht aufzuhören zu fragen: Was steckt dahinter? Was braucht mein Gegenüber? Wie bleibe ich in meiner Energie?

Gerade im digitalen Raum ist es verführerisch, laut, hart und schnell zu reagieren. Doch vielleicht braucht es genau das Gegenteil: leise Klarheit, empathische Kommunikation und innere Ruhe. Denn nur so können wir dem Hass etwas entgegensetzen, das tiefer wirkt als jedes Argument: unsere Menschlichkeit.

Du hast eine Rückfrage zum Thema? Dich belastet die derzeitige politische Situation sehr? Dann melde Dich gern für ein persönliches Gespräch bei mir. 

Geschrieben von:

Sandra Brauer

Sandra Brauer, Diplom-Kauffrau (FH), Systemische Beraterin (DGSF-zertifiziert), Stressmanagement-Trainerin, Prozessbegleiterin in der digitalen Transformation, Lehrauftrag an der FOM Hochschule Hamburg; Gründerin des Systemischen Netzwerks, Autorin im Junfermann Verlag. Schwerpunkte: Coaching von Einzelpersonen und Teams, Vermittlung digitaler Kompetenzen weitere Websiten: https://systemischesnetzwerk.de

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