Sexueller Übergriff am Arbeitsplatz

Sexueller Übergriff am Arbeitsplatz

Sexueller Übergriff am Arbeitsplatz

Vor kurzem bin ich das erste Mal im Rahmen eines Coachings mit dem Thema “sexuelle Belästigung” in den Kontakt gekommen. Es ergaben sich Fragen, die ich nicht ohne weiteres ad hoc beantworten konnte und mich motivierten, auf die Suche nach Antworten zu gehen: ab wann wird ein Verhalten am Arbeitsplatz als sexueller Übergriff gedeutet? Auf den Coaching-Fall werde ich zum Schutz meiner Klientin nicht im Detail eingehen, sondern im folgenden Artikel allgemeine und hoffentlich hilfreiche Informationen zum Thema “Sexuelle Übergriffe und auch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz” zusammentragen. Ich bin keine Juristin und möchte darauf hinweisen, dass meine Ausführungen keine Rechtsberatung darstellen, geschweige denn ersetzen. Bitte im Einzelfall immer einen Rechtsanwalt/anwältin oder eine Beratungsstelle hinzuziehen. 

Nicht selbstverständlich ist das offene Gespräch zum Thema sexueller Übergriff und Grenzüberschreitung, da vielfach bei den Betroffenen der Gedanke aufkommt, dass sie die mögliche vorliegende sexuelle Belästigung selbst verschuldet haben. Vor allem tritt häufig die Frage auf, ab wann es sich um sexuelle Belästigung handelt. Was bedeutet ein sexueller Übergriff? Wann spricht man von Nötigung oder sogar Missbrauch? 

Im Austausch mit Personen meines Netzwerks kamen wir auch auf die Tatsache, dass es sich nicht nur, wie manche:r Lesende:r jetzt denken könnte, um die Grenzüberschreitung von Mann in Richtung Frau handeln könnte, sondern es um eine Handlung von Mensch zu Mensch geht, geschlechterübergreifend. Dieses versuche ich in meinen Ausführungen zu berücksichtigen.  Um das Thema etwas einzugrenzen, fokussiere ich mich im nachfolgenden Artikel “Sexueller Übergriff am Arbeitsplatz” auf grenzüberschreitendes Verhalten im Kontext der Arbeit, auch wenn die einzelnen Ausführungen gewiss auch auf andere Kontexte zu übertragen sind. Zudem habe ich dazu im Kopf eine Frau, die eine Grenzüberschreitung durch einen Vorgesetzten erlebt. 

Für eine bessere Lesbarkeit des Textes, bette ich nicht alle genutzte Quellen direkt als Link in den Artikel ein, sondern führe sie teilweise gesondert am Ende in der Link-Sammlung auf. 

Benötigst du selbst aktuell gerade Hilfe, bist du Dir vielleicht unsicher, ob es sich auch in Deinem Fall um einen sexuellen Übergriff oder sexuelle Belästigung handelt, dann wende Dich bitte an die weiter unten verlinkten Anlaufstellen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet beispielsweise zahlreiche Informationen und Beratung: 0800 – 546 546 5

Einführung ins Thema

Sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz sind keine Seltenheit. Eine Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2015 ergab, dass die Hälfte der befragten Beschäftigten am Arbeitsplatz eine nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verbotene sexuelle Belästigung selbst erlebt hätten. 

In der überwältigenden Mehrheit der bekannten Fälle seien Frauen von sexueller Belästigung betroffen. Das macht eine Untersuchung deutlich, in der mehr als 700 Gerichtsurteile und -beschlüsse ausgewertet wurden. In der Untersuchung wurden alle gerichtlichen Entscheidungen zu sexuellen Übergriffen im Arbeitskontext berücksichtigt, die zwischen den Jahren 1980 und 2014 zugänglich waren. Mit Ausnahme von 25 Fällen ging es um die sexuelle Belästigung von Frauen. 

Die Antidiskriminierungsstelle kommentiert ferner auf ihrer Website, dass grundsätzlich gelte: Jede Person könne Opfer sexueller Belästigung werden. Auch Männer könnten Opfer sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sein. In einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle haben sieben Prozent der befragten Männer angegeben, schon einmal am Arbeitsplatz sexuell belästigt worden zu sein. 

Insgesamt gebe es nur wenige Daten zum Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Mehr statistische Auswertungen entnimm gern der verlinkten Quelle.  

Abgrenzung der Formulierungen

Wann ist von einer “schlichten” – nicht minder zu würdigenden – Überschreitung der Grenzen einer Person durch eine andere Person zu sprechen und ab wann gilt ein Verhalten als sexueller Übergriff, sexuelle Belästigung, Nötigung oder sogar als sexueller Missbrauch?

Sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz

Grundsätzlich ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) jenes Gesetz, welches alle Menschen vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz schützt. So ist hier in § 3 Abs. 4 AGG erklärt

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) spricht von sexueller Belästigung, wenn

„[…] ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“

Sexualisierte Belästigung kann auch als strafrechtlicher Verstoß verfolgt werden, insbesondere bei gewaltsamen oder herabwürdigenden Handlungen greift das Strafgesetzbuch (StGB). Nähere Informationen zu den einzelnen Vergehen findest du in folgenden Paragraphen: 

  • Sexuelle Belästigung §184i StGB
  • Sexuelle Nötigung; §177 I StGB
  • Strafbare Beleidigung; §185 StGB
  • Einfache Form der Nötigung; §240 StGB

Sexuelle Nötigung

Die Begriffe sexuelle Nötigung und Vergewaltigung sind im StGB klar definiert. Sexuelle Nötigung wird in § 177 StGB behandelt. Vergewaltigung wird als besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung in § 177 Absatz 4 StGB definiert. Beide Straftaten sind mit empfindlichen Strafen bedroht und betreffen erzwungene sexuelle Handlungen ohne Einwilligung des Opfers.

Sexuelle Nötigung bezieht sich auf den erzwungenen Geschlechtsverkehr oder sexuelle Handlungen ohne die Zustimmung der betroffenen Person. Dies kann durch Gewalt, Androhung von Gewalt, Erpressung oder das Ausnutzen einer schutzlosen Lage des Opfers geschehen. Die sexuelle Nötigung ist ein schwerwiegender Straftatbestand und wird in den meisten Rechtsordnungen als Vergewaltigung oder sexuelle Übergriffe betrachtet.

Sexueller Missbrauch

Sexueller Missbrauch ist ein breiterer Begriff, der verschiedene Formen sexueller Ausbeutung und Übergriffe umfassen kann. Dies schließt sexuellen Missbrauch von Kindern, Jugendlichen und schutzbedürftigen Erwachsenen ein. Sexueller Missbrauch kann auch sexuelle Handlungen umfassen, die ohne Einwilligung oder mit Einwilligung aufgrund von Täuschung, Zwang oder Manipulation ausgeführt werden. Die genauen Gesetze und Definitionen variieren, abhängig von Alter und Rechtsordnung, siehe ebenfalls § 177 StGB.

Sexuelle Gewalt

In Deutschland gibt es keinen speziellen Paragraphen im StGB, der den Begriff „sexuelle Gewalt“ explizit definiert. Stattdessen werden verschiedene Formen sexueller Gewalt unter anderen strafrechtlichen Bestimmungen, wie zum Beispiel sexueller Nötigung (§ 177 StGB) oder Vergewaltigung (ebenfalls § 177 StGB), behandelt.

Sexuelle Gewalt kann in verschiedenen Kontexten vorkommen und bezieht sich im Allgemeinen auf erzwungene oder unerwünschte sexuelle Handlungen oder Übergriffe. Diese Handlungen können je nach den Umständen und den jeweiligen Handlungen unter unterschiedliche Straftatbestände im StGB fallen. 

Wann spricht man von Übergriffigkeit oder grenzüberschreitendem Verhalten?

Liegt hier nur ethisches oder auch strafrechtliches Fehlverhalten vor? „Übergriffigkeit“ und „grenzüberschreitendes Verhalten“ sind Begriffe, die in der Regel auf Verhaltensweisen hinweisen, die als ethisch oder sozial unangemessen oder störend empfunden werden, aber nicht notwendigerweise strafrechtlich verfolgt werden. Diese Begriffe können je nach Kontext und Umständen unterschiedliche Bedeutungen haben. Im Allgemeinen sind sie nicht direkt mit strafrechtlichem Fehlverhalten verknüpft.

Übergriffigkeit 

Dieser Begriff bezieht sich auf Verhaltensweisen, bei denen eine Person die persönlichen Grenzen einer anderen Person in unangemessener Weise überschreitet. Übergriffigkeit kann sich auf verschiedene Arten von Verhalten erstrecken, einschließlich verbaler Kommentare, unerwünschter körperlicher Berührungen oder anderer unangemessener Handlungen. Übergriffiges Verhalten kann als störend, respektlos oder belästigend wahrgenommen werden, führt jedoch nicht zwangsläufig zu strafrechtlichen Konsequenzen.

Grenzüberschreitendes Verhalten

Dieser Begriff bezieht sich auf Verhaltensweisen, die die akzeptierten sozialen oder beruflichen Normen und Erwartungen verletzen. Es kann sich um Verhalten handeln, das als unhöflich, unprofessionell oder unangemessen betrachtet wird, aber nicht zwangsläufig strafrechtlich verfolgt wird. Grenzüberschreitendes Verhalten kann in verschiedenen Situationen auftreten, einschließlich am Arbeitsplatz, in sozialen Beziehungen oder in der Öffentlichkeit.

Es ist wichtig zu beachten, dass übergriffiges oder grenzüberschreitendes Verhalten ernsthafte Folgen haben kann, insbesondere wenn es zu psychischem oder emotionalem Leid für die betroffene Person führt. In vielen Fällen kann es zu internen disziplinarischen Maßnahmen am Arbeitsplatz oder anderen sozialen Sanktionen führen, wenn übergriffiges oder grenzüberschreitendes Verhalten am Arbeitsplatz oder in anderen sozialen Umgebungen festgestellt wird. Die genaue Beurteilung von übergriffigem oder grenzüberschreitendem Verhalten hängt von den Umständen und den jeweiligen sozialen oder beruflichen Standards, Richtlinien und Verfahren der jeweiligen Organisation oder sozialen Gruppen ab. 

Strafrechtliche Konsequenzen treten normalerweise erst dann auf, wenn das Verhalten die Grenze zur Strafbarkeit, wie etwa sexueller Nötigung oder sexuellem Missbrauch, überschreitet. (siehe oben)

Konsequenzen für den/die Täter:in

Es kann in gewissen Fällen eine sogenannte Verdachtskündigung ausgesprochen werden. Eine Verdachtskündigung ist eine besondere Form der außerordentlichen (fristlosen) Kündigung im Arbeitsrecht, die ausgesprochen wird, wenn der/die Arbeitgeber:in einen schwerwiegenden Verdacht hat, dass der/die Arbeitnehmer:in eine erhebliche Pflichtverletzung begangen hat, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Es handelt sich um eine Kündigung ohne Einhaltung der üblichen Kündigungsfristen. Eine Verdachtskündigung kann in folgenden Fällen ausgesprochen werden:

Schwerwiegender Verdacht

Es muss ein hinreichender, schwerwiegender Verdacht bestehen, dass der/die Arbeitnehmer:in eine erhebliche Pflichtverletzung begangen hat. Dieser Verdacht sollte auf konkreten Indizien beruhen und nicht bloß auf Vermutungen.

Unzumutbare Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses

Die Pflichtverletzung muss so schwerwiegend sein, dass es für den Arbeitgeber unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Dies kann der Fall sein, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in nachhaltig gestört ist.

In der Regel ist der/die Arbeitgeber:in verpflichtet, den/die Arbeitnehmer:in vor der Verdachtskündigung anzuhören und ihm die Gelegenheit zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Anhörung unzumutbar ist oder keinen Erfolg verspricht. Die Kündigung muss verhältnismäßig sein. Das bedeutet, dass die Interessen beider Parteien berücksichtigt werden müssen. Die Kündigung sollte das mildeste Mittel sein, um das gestörte Arbeitsverhältnis zu beenden.

Beispiele für Situationen, in denen eine Verdachtskündigung in Betracht gezogen werden könnte, sind Diebstahl am Arbeitsplatz, schwerwiegende Verletzung von Arbeits- oder Sicherheitsvorschriften, oder eben sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, sofern diese Pflichtverletzungen nachgewiesen werden können.

Bei wem liegt die Beweislast? 

Im Szenario meiner Coaching-Klientin, die unter anderem mehrfach zum Ausdruck brachte, dass sie keine weiteren persönlichen Nachrichten von ihrem Vorgesetzten erhalten möchte, und er dennoch fortfuhr, könnte dies als eine Form der Belästigung interpretiert werden, wenn es die Würde der Mitarbeiterin verletzt oder ein feindliches Arbeitsumfeld schafft. Dies würde dann gegen das AGG verstoßen, jedoch ist es nicht gleichzusetzen mit einer Straftat (siehe oben). 

Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Deutschland wird die Definition von Belästigung in § 3 Absatz 3 beschrieben. Hier wird Belästigung als eine Benachteiligung definiert, die durch unerwünschte Verhaltensweisen entsteht, die die Würde der betroffenen Person verletzen und ein feindliches Umfeld schaffen​​.

Obwohl dieser Paragraph nicht ausdrücklich sagt, dass die betroffene Person allein entscheidet, wann ein Verhalten als grenzüberschreitend empfunden wird, impliziert die Formulierung „unerwünschte Verhaltensweisen“, dass die Wahrnehmung und das Empfinden der betroffenen Person maßgeblich sind.

Laut §22 AGG liegt die Beweislast bei der Person, die gegen die Bestimmungen zum Schutze vor Benachteiligung verstoßen hat, dass kein Verstoß vorlag. 

Schutzpflicht Arbeitgeber

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes formuliert, dass jede Form der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz verboten sei. Am Arbeitsplatz könne man der belästigenden Person nicht aus dem Weg gehen. Der Arbeitsplatz müsse deshalb für alle Beschäftigten ein sicheres Umfeld sein. 

Weiter heißt es, das Gesetz verbiete jede Form der sexuellen Belästigung, die innerhalb eines Arbeitsverhältnisses stattfindet. Dazu würden Dienstreisen, Arbeitswege, Firmenfeiern, Betriebsausflüge, Pausen sowie SMS, E-Mails oder Anrufe zählen.

Nach dem AGG haben alle Arbeitgeber:innen ihren Beschäftigten gegenüber eine Schutzpflicht (§ 12 AGG). Demnach sind Arbeitgeber:innen dazu verpflichtet, sexuelle Belästigung zu verhindern. Das bedeutet einerseits, dass durch Information und Prävention sexuelle Belästigung verhindert wird. Andererseits muss nach einem Vorfall durch Sanktionen und andere Maßnahmen der künftige Schutz der betroffenen Person gewährleistet werden. 

Alle Arbeitgeber:innen sind verpflichtet, eine Beschwerdestelle für betroffene Beschäftigte einzurichten. Die Stelle beziehungsweise Person (einschließlich Orte und Zeiten der Anlaufstellen) müssen allen Beschäftigten bekannt gemacht werden. Die Information sollte mindestens über einen Aushang oder eine E-Mail erfolgen. Die Beschwerdestelle ist verpflichtet, jeder Beschwerde nachzugehen. Sie ist auch verpflichtet, Arbeitgeber:innen über jede Beschwerde zu informieren. Gleichzeitig gilt das Maßregelungsverbot (§ 16 AGG): Beschäftigte, die eine Beschwerde einreichen, dürfen dadurch keine Nachteile entstehen, unabhängig davon, ob die Beschwerde begründet oder unbegründet ist. 

Arbeitgeber:innen haben eine Schutz- und eine Fürsorgepflicht gegenüber allen Beschäftigten. Im Falle einer Beschwerde bedeutet das: Schützen Arbeitgeber:innen die betroffene Person nicht, machen sie sich schadenersatzpflichtig. Sind die Sanktionen gegenüber der belästigenden Person unverhältnismäßig, haften Arbeitgeber:innen gegenüber diesen Beschäftigten. 

Empfehlungen für Gespräche bitte dem Leitfaden entnehmen. 

Interessant dazu auch das Urteil des LAG Köln, Urteil vom 06.12.20231 -2Sa 10/21, aus dem hervorgeht, dass eine Führungsperson sich selbst über das AGG informieren und jede Mitwirkung an der Schaffung oder Aufrechterhaltung eines frauenfeindlichen, herabwürdigenden und sexistischen Arbeitsklimas unterlassen müsse. 

In Recherchen und Gesprächen zum Blogartikel berichtete man mir von einer Reihe von Fällen vor allem verbaler sexueller Belästigung, unter anderem im Gesundheitssystem und öffentlichen Dienst, die recht ähnlich und meiner Meinung nach teilweise noch schwerwiegender zu bewerten wären, als der im Urteil beschriebene Fall. Häufig nicht zur Anklage gebracht, sondern geduldet oder aus Unwissenheit in der Vergangenheit nicht als verbale sexuelle Belästigung erkannt. Dazu mag ich Euch gern die Initiative The Sirens Collective von Kim Hoss und Lise van Wersch empfehlen. Dort werden Erfahrungen von Betroffenen gesammelt und archiviert, um zu zeigen, wie viele unberichtete Fälle sexueller Übergriffen existieren.  

Empfehlung auf Organisationsebene 

Um sexuellen Übergriffen vorzubeugen, sollten Organisationen in ihren Leitlinien präventiv Kodizes in Richtung sexueller Übergriffe aufnehmen, unterzeichnen lassen und darin aufklären und aufzeigen, welche Konsequenzen bei Übergriffen folgen würden. Die Kodizes könnten Teil des Onboardings sein und damit zukünftige Mitarbeiter:innen für das Thema (sexuelle) Diskriminierung und Grenzüberschreitung sensibilisieren. Beispiele für einen Ethik- und Verhaltenskodex findet ihr zum Beispiel öffentlich einsehbar bei der GIZ sowie bei Zalando und Novartis

Hilfe und Kontakt

Es gibt eine Reihe von Ansprechstellen, die je nach Anlass und Bedarf hinzugezogen werden können. Die Antidiskriminierungsstelle hat verschiedene Unterstützungsangebote, wie einen Diskriminierungs-Check oder auch ein Beratungstelefon. 

Als Arbeitgeber:in kann ein Rechtsbeistand hilfreich sein, um Personalgespräche und -entscheidungen gut vorzubereiten und durchzuführen. Betroffene Personen können Beratungsstellen als neutrale Partei zu einem Gespräch hinzuziehen. 

Was mich überrascht hat, war die Reaktion einer Mitarbeiterin der Handwerkskammer Hamburg. Da meine Coaching-Klientin aus dem Handwerksumfeld kommt, ging ich auch hier auf weitere Recherche, um zu erfragen, welche Art von Unterstützung die Handwerkskammer Unternehmensinhaber:innen, Führungskräften und Mitarbeiter:innen zur Prävention aber auch Kuration und im Fall eines möglichen sexuellen Übergriffs bietet. Man sagte mir, dass ich die erste Person seit etwa fünf Jahren gewesen sei, die dieses Thema ansprach. Man gehe davon aus, dass es solche Fälle nicht oder nur kaum gebe und dass es eben keinen Bedarf gebe, diese Informationen bereitzuhalten. Nach etwas Ausführung und Erklärung erhielt ich zumindest die Telefonnummer des Arbeitsrechtlers, den man als Unternehmensinhaber kontaktieren könne. 

Wie die Studien auf den Seiten der Antidiskriminierungsstelle zeigen, gibt es vielfach Fälle von sexuellen Übergriffen. Als Verstärker wurden hier unter anderem männlich dominierte Branchen erwähnt. Mir ist es ein Rätsel, wie man als Institution einer solchen Größenordnung nicht freiwillig Informationen dazu auf den Webseiten bereithält.  

Handlungsempfehlungen für Betroffene

Beweissicherung 

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes empfiehlt folgendes Vorgehen zur Beweissicherung: 

  • Dokumentation
  • zeitnahe Beschwerde
  • ggf. Arztbesuche
  • Indizien/Beweise sammeln
  • Sich an vertrauensvolle Kolleg:innen wenden (unter Verschwiegenheit!)
  • Weitere Betroffene, Zeug:innen ermitteln
  • (Ggfs. Konfrontation als Beweiserlangungsmethode)

Werde aktiv! 

  • Mach Dir klar, du trägst keine Schuld!
  • Zeige Grenzen auf und kündige Konsequenzen an!
  • Führe Protokoll der Ereignisse, an die du Dich erinnerst
  • Beschwere Dich.
  • Such Dir Unterstützung!

Kontaktstellen

Weiterführende Link und Lesetipps

Solltest du Dich ganz gleich aus welcher Aufgabe und Rolle heraus, näher mit dem Thema beschäftigen wollen, findest du hier eine Link-Liste, nicht nur zum Thema “Sexueller Übergriff am Arbeitsplatz”, sondern ganz allgemein auch zu Sexismus und sexueller Belästigung. 

Solltest du etwas in diesem Beitrag vermissen, dann ergänze gern in den Kommentaren. Bei Fragen sende mir gern eine Nachricht

Dankeschön

Herzlichen Dank zum Ende des Artikels, vor allem an mein persönliches und berufliches Netzwerk für Eure so raschen Antworten in Form von Privatnachrichten, Sprachnachrichten und die darin enthaltenen weiterführenden Informationen. Insbesondere möchte ich mich an dieser Stelle für die so umfassenden Informationen von Lisa Thea Steiner, Gleichstellungs- und Diversitätsbeauftragte der Sächsischen Aufbau-Förderbank, Katrin Schiller, B.A. Gender Studies, europäische Kulturanthropologie, Erzieherin mit Schwerpunkt Gender sowie Sebastian Müller, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Verbandsgeschäftsführer DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte bedanken. Der Austausch mit Euch war sehr erhellend. 

Geschrieben von:

Sandra Brauer

Sandra Brauer, Diplom-Kauffrau (FH), Systemische Beraterin (DGSF-zertifiziert), Stressmanagement-Trainerin, Prozessbegleiterin in der digitalen Transformation, Lehrauftrag an der FOM Hochschule Hamburg; Gründerin des Systemischen Netzwerks, Autorin im Junfermann Verlag. Schwerpunkte: Coaching von Einzelpersonen und Teams, Vermittlung digitaler Kompetenzen weitere Websiten: https://systemischesnetzwerk.de

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