Hilfe, unsere Arbeitswelt verändert sich

Hilfe, unsere Arbeitswelt verändert sich

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Ein sehr beliebter Einstieg von mir in Workshops zum Thema „Arbeitswelt im Wandel“ ist die offene Frage danach, was die TeilnehmerInnen ganz persönlich mit „Veränderung“ assoziieren. Häufig antworten sie:

  • Herausforderung (häufig erst Chaos, neue fremde Pfade zu erkunden)
  • Chance, Potenzial (dass etwas besser werden könnte als zuvor)
  • Neugier (wer weiß, was entstehen könnte)
  • notwendig, Änderungen sind überfällig (es muss sich was verändern, wenn es gut werden soll; Leid ist vorhanden)
  • Nur die Veränderung ist konstant (nichts bleibt so wie es ist, das Leben ist Veränderung)
  • Unsicherheit, Veränderungen erzeugen häufig Ängste (was mag kommen? ist es von mir beeinflussbar?)

An den Antworten ist bereits zu erkennen, dass das Erleben von Veränderungen – ganz gleich welcher Art – sehr individuell ist. Es gibt Ansätze (zum Beispiel das Riemann-Thomann-Modell), die beschreiben, dass Menschen abhängig vom Persönlichkeitstypus eher freudig oder eher ablehnend auf Veränderungen reagieren. Nicht nur der Persönlichkeitstypus, sondern die Erfahrung, also bereits erlebte Veränderungen prägen diese Haltung.

Auswirkungen von Veränderungen in der Arbeitswelt

In der Arbeitswelt führen Veränderungen häufig zu Widerständen und Konflikten. In Folge dessen zu Unzufriedenheit oder auch Krankheit und somit teilweise zu erheblichen Produktivitätsverlusten.

Veränderung der Arbeitsabläufe, der Aufbaustruktur, des Arbeitsortes, der Arbeitsplatzausgestaltung und auch die  Digitalisierung von Arbeitsprozessen etc. sorgen für starke Bewegung in den Unternehmen. Der eine Mitarbeitende empfängt diese Neuerungen gern, gestaltet sie mit und treibt Innovationen voran, während der andere noch an alten Gewohnheiten und Strukturen festhält und sich sträubt.

Haltung in der Veränderung

Dieses Verhalten ist menschlich, jeder reagiert individuell auf Veränderung. Nicht immer ist den Betroffenen bewusst, was mit ihnen geschieht und dass ihr Befinden, ihre Emotionen und Verhalten mit einer angekündigten oder erlebten Veränderung zusammenhängt. 

Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Schutzmauern, die anderen bauen Windmühlen. (Chinesisches Sprichwort)

Akzeptanz von Verschiedenheit

Ich erlebe immer wieder, dass Initiatoren von Veränderungsprozessen darauf wenig empathisch und beinahe schon abschätzig mit den Worten reagieren, „die sollen sich mal nicht so anstellen.“  Empfängt eine von einer Veränderung betroffene Person bewusst oder unbewusst diese Botschaft, könnte dies übersetzt heißen: „Ich nehme Dich nicht ernst. Deine Reaktion ist nicht richtig. Du musst Dich anders verhalten. Du bist schwach.“ Das Unverständnis könnte zu Unbehagen, der Wahrnehmung von Geringschätzung oder sogar Ablehnung führen. Je nach Individium und Kontext könnte dies wiederum sinkende Arbeitsmotivation, Konflikte oder sogar Krankheit zur Folge haben. Vorhersagbar ist menschliches Verhalten jedoch nur bedingt. Daher lohnt es sich, bewusst und menschlich Veränderungsprozesse zu kommunizieren, zu gestalten und zu begleiten.

Gelassenheit im Wandel bewahren

Mal angenommen, uns ist als Veränderungsinitiator daran gelegen, einen Veränderungsprozess menschlich zu gestalten. Nicht nur dass, wir wollen dazu beizutragen, dass ein wenig mehr Gelassenheit im Umgang mit der Veränderung möglich wird. Was könnte hilfreich sein?

Empathie und Perspektivwechsel

Eine häufige Herausforderung in einem Veränderungsprozess ist der Umgang mit Emotionen. Insbesondere Widerständen angemessen zu begegnen, ist für viele Veränderungsinitiatoren eine große Herausforderung. Was hilft, sind das Wahrnehmen und Annehmen jeglicher Emotionen der Beteiligten.

Du kannst jemanden verändern, wenn du ihn akzeptierst. (Laotse)

Akzeptieren heißt, einen Menschen nicht zu bewerten. Das Verhalten eines Menschen als berechtigt anerkennen, solange dieser die eigenen persönlichen Grenzen wahrt. Als SystemikerIn würde man sich stets die Fragen stellen: „Was mag die gute Absicht der Person sein? Wozu verhält sie sich so?“ Der Blick auf den einzelnen Menschen ist somit sehr positiv und voller Wertschätzung, beinahe schon liebevoll. Fällt dieses schwer, hilft es häufig, den Wechsel der Blickrichtung zu wagen. „Mal angenommen, ich würde mich auf ähnliche Weise verhalten. Ich habe einen guten Grund dazu. Wie würde ich gern behandelt werden wollen?“ Genau dieser Perspektivwechsel schult den Blick und übt in empathischem Verhalten und empathischer Kommunikation.

Motivation für das zu erreichende Ziel aufbauen

Natürlich könnte man einen Plan entwerfen, todos verteilen und den Startknopf für eine Veränderung drücken. Der Mensch trägt jedoch ein wesentliches psychologisches Grundbedürfnis in sich: Jenes nach Autonomie und Orientierung (Klaus Grawe). Durch Partizipation und Zielfokus können Kreativität, Motivation und Zusammenhalt gefördert werden. Gerade letzteres ist ein wesentlicher Faktor, der Widerstandsfähigkeit im Umgang mit Veränderungen und Krisen (Resilienz) stärkt. 

Resilienz

Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer. (Antoine de Saint-Exupéry)

Häufig hilft es Menschen, das Ziel anzuvisieren. Den Blick nach vorn zu wagen und in Richtung des Neuen, vielleicht sogar besseren Zustandes zu blicken. Das „Wie“ kommt erst im nächsten Schritt.

Wer das „Warum“ kennt, erträgt jedes „Wie“. (angelehnt an Nietzsche)

Dies erfordert, dass Initiatoren von Veränderungsprozessen das „Warum“ kennen, benennen und formulieren können, um für den anstehenden Wandel begeistern zu können.

Akzeptanz

Manche Veränderungen sind unangenehm, jedoch notwendig und die Umstände nicht immer günstig. Man kann jedoch versuchen, das Beste draus zu machen und sich in Optismus und Zuversicht zu üben und als Veränderungsinitiator Akzeptanz der Veränderung vermitteln.

Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen. (Aristoteles)

Veränderung braucht Zeit

Nach einer angekündigten Veränderung den Blick nach vorn zu richten, geht jedoch zumeist nicht ohne Abschiedsschmerz, dem Aussprechen der Trauer über das Verlassen alter Welten. So sagte Frau Kübler-Ross zum Trauerprozess, dass man erst das Tal der Tränen durchschreiten müsse, bevor sich neue Pfade ergeben können.

Einige Menschen brauchen länger Zeit zur Verarbeitung, andere sind da ein wenig schneller. Für eine Organisation stellt dies eine besondere Herausforderung dar. Nicht immer kann in Anbetracht von Zeit- und Projektplänen oder auch Budgetvorgaben auf die Bedürfnisse einzelner Rücksicht genommen werden. Schafft man jedoch die Möglichkeit für Gespräche und Austausch im Veränderungsprozess, könnte man auf diese Weise der Verabschiedung des Alten Raum geben und dennoch versuchen immer wieder den Blick nach vorn zu ermöglichen.

Lösungsorientierung

Es gibt Menschen, die drehen sich gern um altbekannte Probleme herum. Sie umkreisen es, investieren kostbare Energie ins Lamentieren. Hier gilt es, jene aus der sogenannten Problemtrance zu wecken und in Richtung Lösungsorientierung zu bewegen.

Fokussiere all Deine Energie nicht auf das Bekämpfen des Alten, sondern auf das Erschaffen des Neuen. (Sokrates)

Und dabei ist es nicht wichtig, den kompletten Weg durchzuplanen, den perfekten Startpunkt zu finden, sondern getreu folgendem Motto zu handeln:

Starte von irgendwo und werde von dort aus immer besser. (Douglas Adams)

Retrospektiven einplanen

Wie bei einem Marathon lohnt es sich, auf dem Weg immer mal wieder inne zu halten und darauf zu blicken, welchen Teil des Weges man bereits gegangen ist. Die kleinen Schritte in der Veränderung sehen und würdigen. Dazu noch reflektieren, ob der eingeschlagene Weg der passende ist oder ob man einen anderen gehen sollte. Auf diese Weise können auch Änderungen im Vorgehen erklärbar und Kursänderungen eher angenommen werden als wären Mitarbeitende nicht beteiligt worden. Bestenfalls entstehen sogar diese aus den Reihen der Mitarbeitenden – „Mitarbeitende aktiv beteiligen“ gilt hier als Devise. 

Linktipps

https://www.plakos.de/riemann-thomann-modell/

https://www.hogrefe.de/shop/neuropsychotherapie-65496.html

https://link.springer.com/chapter/10.1007%2F978-3-658-07970-3_6

Geschrieben von:

Sandra Brauer

Sandra Brauer, Diplom-Kauffrau (FH), Systemische Beraterin (DGSF-zertifiziert), Stressmanagement-Trainerin, Prozessbegleiterin in der digitalen Transformation, Lehrauftrag an der FOM Hochschule Hamburg; Gründerin des Systemischen Netzwerks, Autorin im Junfermann Verlag. Schwerpunkte: Coaching von Einzelpersonen und Teams, Vermittlung digitaler Kompetenzen weitere Websiten: https://systemischesnetzwerk.de

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