Hybrides Arbeiten

Hybrides Arbeiten

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Immer wieder lese ich interessiert Postings auf Social Media oder aktuelle Studien zur Arbeitswelt im Wandel. Nach dem großen Aufschrei während der Pandemie, dass sich nun die Arbeitswelt grundlegend verändert und dem nächsten Aufschrei danach, dass viele Unternehmen sich den alten Zustand zurückwünschen, gibt es auch zahlreiche Welten dazwischen. Zum Glück. Wie so oft, gibt es kein schwarz/weiß und vor allem keine konkreten Empfehlungen, wenn man Dinge das erste Mal ausprobiert. Die Herausforderung schlechthin im digitalen Strukturwandel.

Was oftmals hilft und mir immer wieder positiv in Veranstaltungen oder während Vorträgen rückgemeldet wird, ist vor allem der Austausch über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus. Ich freu mich immer, wenn genau dieses gelingt. Zudem können auch Studienergebnisse als Inspiration genutzt werden und dazu anregen, in Frage zu stellen, ob man als Unternehmen auf einem guten Weg ist oder es vielleicht noch andere Wege zu beschreiten gilt. Für mich übrigens gern ein indirekter Auftrag, also jener, Wissen und Erfahrungen aus verschiedenen Kontexten aufzugreifen und gern anonymisiert weiterzugeben. Und genau dazu soll auch dieser Beitrag dienen. Schwerpunktthema: Hybrides Arbeiten

New Work – das tun, was wir wirklich wirklich wollen

Als eine große Inspiration habe ich vor kurzem die On the way to New Work – Podcast-Folge (Nr. 100) mit Michael Trautmann, Christoph Magnussen und Frithjof Bergmann wahrgenommen. Frithjof, der leider inzwischen verstorben ist, hat mit seiner Arbeit dafür geworben, unsere Arbeitswelt so zu gestalten, so dass wir endlich das tun, „was wir wirklich wirklich wollen.“ Arbeit nimmt einen so großen Teil in unserem Leben ein, Arbeit kann Sinn stiften und Energie geben. Er hob im Interview hervor, dass die Digitalisierung und der technologische Fortschritt es endlich möglich machten, dass wir dem nachgehen, was wir „wirklich wirklich wollen“. Und können wir nicht genau von diesem Gedanken die Leitfrage des hybriden Arbeitens ableiten? 

Wie wollen wir zukünftig miteinander arbeiten?

Mir geht es nicht darum, dass wir ausschließlich die Ziele eines jeden einzelnen beachten, sondern dass diese ganz allgemein Berücksichtigung erfahren und mit den Unternehmenszielen und -zwecken, wenn möglich, in den Einklang gebracht werden können oder sich sogar gegenseitig bedingen.  

Ich erinnere mich stets bei der Frage „Wie wollen wir zukünftig miteinander arbeiten?“ an die Retrospektive aus dem Scrum. Über allem steht hier, wie das Scrum-Team zukünftig noch besser arbeiten kann. In einer Team-Supervision brachte ich diesen Gedanken vor kurzem ein und erhielt die Rückmeldung, dass es vielleicht gar nicht genau um das „ständige noch besser werden“ ginge, sondern vielleicht auch die Fragestellung über allem stand: „Wie können wir gut, also zufrieden und gesund, miteinander arbeiten?“

Meiner Erfahrung nach können sich diese Ziele immer wieder verändern. So macht es meiner Meinung nach Sinn, immer mal wieder innezuhalten und zu reflektieren. Und nicht nur das, nutzen wir auch Anregungen, vielleicht auch Irritationen von außen, um eigene Wege und Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu entwickeln. 

„Ich brauche meine Leute vor Ort“ 

Als weitere Inspiration vor kurzem habe ich die Folge des Klartext-HR-Podcasts von Stefan Scheller mit dem Trigema-Chef Wolfgang Grupp empfunden. Grupp wird häufig als Bewahrer und Traditionalist der Arbeitswelt hervorgehoben. Er wirbt für wenig digitale Kommunikation, vor Ort gemeinsam im Büro zu arbeiten. So können kurze Wege gewahrt werden und Fragen schnell geklärt werden. Zudem wisse er, was Mitarbeiter:innen wollen und bietet einen sicheren Arbeitsplatz an. Auch wenn man schnell mit der Bewertung kommen mag, dass das noch nicht zukunftsfähig sein kann, würde ich mich nicht trauen dies zu bewerten. In einer Podcast-Folge eines meiner liebsten Podcasts, den Soziopod, habe ich irgendwann nebenbei die Frage aufgeschnappt

Was verbessert sich durch die Digitalisierung? Welche Vorzüge bringt die Digitalisierung tatsächlich?

Wer sagt uns also, dass wir allem technologischem Fortschritt mit unseren jeweiligen Haltungen, Handlungen und Entscheidungen auf dem richtigen Pfad sind? Ich glaube daher nochmal mehr, dass es immens wichtig ist, stets und ständig das eigene (unternehmerische) Handeln zu reflektieren und sich frühzeitig auf sich verändernden Umstände einzustellen und sich anzupassen. Das ist doch die tatsächliche Agilität, von der immer alle sprechen, oder? Vor allem muss es ja nicht stets und ständig eine große Veränderung sein, die in Angriff genommen wird, sondern kleine Schritte, die notwendig sind und im jeweiligen Moment mit Blick auf die jeweilig gesetzten Ziele Sinn machen. 

Stolpersteine im Wandel | Hybrides Arbeiten und mentale Gesundheit

Worum geht es denn nun eigentlich? Lese ich selbst meine vorherigen Zeilen kommt mir der Gedanke, dass es mehr um eher eine Kür als eine Pflicht geht, die Arbeitswelt anders zu gestalten. Für mich ist es jedoch eher eine Pflicht und daher immer wieder mein wichtiges Ziel, dazu beizutragen, dass die mentale Balance meiner Kund:innen und Klient:innen aufrecht erhalten werden kann. Warum? Bei den vielen Vorzügen des hybriden Arbeitens und den Möglichkeiten, die dadurch entstehen, gibt es aktuell so manche Herausforderung, die wir (noch) zu überwinden haben. Interessant hierzu die Studienergebnisse des DFK – dem Verband für Fach- und Führungskräfte. 

DFK-Umfrage zu den Auswirkungen der Pandemie, Home Office und Erreichbarkeit

DFK-Umfrage zu den Auswirkungen der Pandemie, Homeoffice und Erreichbarkeit: Regelungen zur Erreichbarkeit zuhause sind immer noch die Ausnahme – DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte e.V.

Neben den Vorzügen der Flexibilität und Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben würden die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen, so dass dies zu überlangen Arbeitszeiten und gesundheitlichen Belastungen führen können. Weitere Ergebnisse der Studie

  • schlechteres Abschalten durch digitale Kommunikationsmöglichkeiten (Home Office und digitale Kommunikation kann zu höherer Belastung führen). Der DFK stellt hier die Hypothese auf, dass neue Wege hier bereits gefunden wurden, da die Studienergebnisse sich zu einer vorherigen Studie aus 2012 etwas zum Positiven verändert haben.
  • 51% der Fachkräfte/Führungskräfte sagen, dass Erreichbarkeit allein ihre Entscheidung sei. Vor 10 Jahren seien dies noch 32% gewesen.  
  • Fachkräfte/Führungskräfte seien auch am Abend und an den Wochenenden erreichbar. Dies hat sich zur vorherigen Studie verändert bzw. die Werte haben sich reduziert. 
  • Es gibt wenig unternehmensweite Regelungen dazu. Mir persönlich stellt sich hier sofort die  Frage, ob das Bewusstsein der Gefahr gesundheitlicher Beeinträchtigung immer noch nicht in den Unternehmen angekommen ist? Sehen die Beteiligten keine Notwendigkeit für diese vermeintlich „weichen“ Themen? Oder mag dies andere Ursachen haben?
  • Zitat: DFK-Verbandsgeschäftsführer Sebastian Müller: „Mit Blick darauf, dass die durch die Pandemie nun in der Praxis erprobten Möglichkeiten der Zusammenarbeit bleiben und diese auch eingefordert werden, bedarf es betrieblicher Konzepte für ein gesundes Maß und einen guten Mix aus virtueller und physischer Zusammenarbeit. Auch wenn die Fach- und Führungskräfte bewusster und selbstbestimmter mit der digitalen Kommunikation umgehen, sie wünschen sich dabei betriebsinterne Leitplanken, die in der Praxis immer noch viel zu selten sind.“

Dazu passend erinnere ich mich an die Worte von Nikolaus Förster und Nicole Basel bei der Eröffnung der neuen Räumlichkeiten des Impulse-Magazins

Selbstverantwortliches Arbeiten, Arbeiten auf Distanz braucht eine Vielzahl von Regeln

Nikolaus Förster und Nicole Basel sprachen am Eröffnungstag des MachWerks darüber, dass es ihrer Erfahrung nach mehr Regeln denn je beim selbstverantwortlichen Arbeiten, damit auch beim hybriden Arbeiten gebe. Regeln in Form von Vereinbarungen. Sie hätten die Erfahrung gemacht, je selbstverantwortlicher Menschen arbeiten, desto mehr Vereinbarungen braucht es.

Über diese Spielregeln spricht auch Prof. Böhm von der Universität St. Gallen, den ich bisher fast in jedem meiner Webinare zum Thema Digitales Arbeiten zitiert habe: Wir sollten Digitalisierungsspielregeln miteinander vereinbaren, um Missverständnissen in der Zusammenarbeit (auf Distanz) vorzubeugen. Auch wenn diese Studie die Überschrift „Gesund Digital Arbeiten“ hat, mag ich stets und gern empfehlen, diese Regeln und Rahmenbedingungen auf das Privatleben auszuweiten.

Durch die Digitalisierung verschwimmen Grenzen zwischen Beruf und Privatleben immer mehr. Grenzen zu ziehen, Vereinbarungen zu treffen und uns an diese zu erhalten, scheint mir wesentlich, um unsere Gesundheit, Motivation und Produktivität langfristig beim hybriden Arbeiten zu erhalten. Auch hier gern noch eine Erweiterung: Digitalisierungsspielregeln können wir meiner Meinung nach auch hervorragend zunächst mit uns selbst vereinbaren. An andere Stelle sprach und schrieb ich bereits über die Herausforderung dieser Zeit, unsere digitale Balance zu wahren. 

Hybrides Arbeiten | eine Gefahr für jeden Team-Zusammenhalt?

Sehr interessante Ergebnisse mit einem leicht anderen Fokus brachte darüber hinaus eine Studie vom Persoblogger in Zusammenarbeit mit dem Frauenhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation heraus: Arbeiten in der Corona-Pandemie: Folgeergebnisse (persoblogger.de)

0,5% der befragten Unternehmen bieten kein mobiles Arbeiten an, 60% zumindest zum Teil, 15% arbeiten full remote. Laut der Studie sei die mangelnde Bindung und Teamidentität eine reale Gefahr für die Unternehmen. Gefordert werden explizite Aktivitäten, um das Unternehmen als sozialen Ort der Begegnung, der Identifikationsstiftung und der Kooperation zu stärken und aktiv zu beleben. 

Und auch hier werden schwierige Entwicklungen in Bezug auf die Arbeitsbelastung und Gesundheit der Beschäftigten hervorgehoben. Wobei auch bemerkt wird, dass die genannten Effekte nicht „nur“ auf
die orts- und zeitflexiblen Arbeitsformen zurückzuführen seien, sondern immer auch noch Ergebnis möglicher pandemiespezifischer Einflüsse seien.

Achtsamkeit im Hinblick auf die zukünftigen Effekte der zunehmend virtualisierten Arbeit wären hilfreich. Aktuell noch zu überwindende Stolpersteine des hybriden Arbeitens, die neben dem Bindungsgedanken aufgelistet werden, sind Wissensmanagement, Pausengestaltung und Erholung, engere Taktung von Besprechungen und Arbeitsabläufe. So wurden vermehrte Fälle von Burnout und seelische Erkrankungen verzeichnet. 

Langfristig gesehen, werde die Relevanz des Selbstmanagements der Beschäftigten immer mehr zunehmen. Verantwortung müsse mithin auf allen Ebenen übernommen werden: auf der Ebene des Gesamtunternehmens, der Führungskräfte, der lokalen Teams oder Abteilungen und auf der Ebene jedes Einzelnen.

Der nicht unerhebliche Arbeitsdruck sei mutmaßlich auch die andere Seite der Medaille einer weiterhin erfreulichen Produktivität, die den Mitarbeitenden auch in der stark ortsflexiblen Arbeitsform weiterhin bescheinigt wird. Fast 50 Prozent melden eine gleichbleibende, knapp 34 Prozent eine leicht gestiegene,
über 7 Prozent der Befragten sogar eine stark gestiegene Produktivität.

Weiteres Ergebnis der Studie ist, dass durch das hybride Arbeiten Wissensaustausch und Vernetzungserfolge langfristig gefährdet seien. 

Als Resümee der Studie wurde die Schlüsselrolle der Führungskraft für die Bindung an das Unternehmen sowie das unmittelbare kollegiale Umfeld hervorgehoben. So habe die Studie gezeigt, welche Bedeutung
das Unternehmen, die arbeitgebende Institution, auch als sozialer Ort habe. 

Resümee

Für mich bleibt das Thema weiterhin spannend. Wir können uns glücklich schätzen, welche Chancen sich durch den technologischen Fortschritt für unsere Arbeitswelt auftun. Kritisch mag ich kommentieren, dass mir aktuell noch oder auch leider weiterhin zu wenig Aufmerksamkeit auf das Thema Mentale Gesundheit im Kontext der sich wandelnden Arbeitswelt gelegt wird. Ich wünsche mir, dass sich dieses sich (endlich) ändert. Denn wie Frithjof Bergmann sagte, Arbeiten könne eine so wunderbare Möglichkeit sein, Erfüllung zu erleben. Das geht meiner Meinung nach jedoch nur, wenn wir in dauerhaft in Balance bleiben, Stolpersteine im digitalen Wandel zu überwinden lernen und den technologischen Fortschritt für uns nutzen. Jeder einzelne, aber vor allem auch alle gemeinsam. Ich mag weiterhin daran glauben, dass dies gelingen kann.

Wie ist Deine Meinung zum Thema? Welche aktuellen Herausforderungen kommen Dir bekannt vor? Wie habt ihr diese in Eurem Unternehmen gelöst? Kommentier gern oder schreib mir eine Nachricht

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Geschrieben von:

Sandra Brauer

Sandra Brauer, Diplom-Kauffrau (FH), Systemische Beraterin (DGSF-zertifiziert), Stressmanagement-Trainerin, Prozessbegleiterin in der digitalen Transformation, Lehrauftrag an der FOM Hochschule Hamburg; Gründerin des Systemischen Netzwerks, Autorin im Junfermann Verlag. Schwerpunkte: Coaching von Einzelpersonen und Teams, Vermittlung digitaler Kompetenzen weitere Websiten: https://systemischesnetzwerk.de

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