Angststörungen und Panikattacken
„Ich dachte, ich müsste sterben.“
Ein recht häufige Beschreibung von Personen, die eine Panikattacke erlitten haben. Häufige Symptome wie Herzrasen, Zittern oder Schwitzen zeigen dazu auf, welche Ausmaße eine Panikattacke annehmen kann und worunter eine betroffene Person leidet.
Angststörungen sind die häufigsten psychischen Erkrankungen. Allein in Europa leiden ca. 60 Millionen Menschen daran, ungefähr zwölf Millionen sind es in Deutschland. Dabei sind Frauen deutlich häufiger von Angststörungen betroffen als Männer.
Insbesondere in einer Krisensituation, wie wir sie nun bereits seit über einem Jahr erleben, können Angst und Panikmomente vermehrt auftreten. Daher haben Mario Hauff und ich vor kurzem zum MeetUp „Was tun bei Angst und Panikattacken (im Job)?“ eingeladen. Dieser Artikel ist durch die Fragen und die aktuelle Relevanz des Themas im Anschluss an das MeetUp entstanden.
Angsterkrankungen und Panikstörung
Eine der Angsterkrankungen ist die Panikstörung, welche häufig von Agoraphobie begleitet wird. Die betroffene Person leidet in einem Zeitraum x unter mehreren Panikattacken.
Angst dient grundsätzlich unserer Selbsterhaltung. Sie schützt uns. Droht Gefahr, startet der Mandelkern, der im evolutionsbiologisch Jahrmillionen alten Stammhirn liegt, ein Notfallprogramm. In Bruchteilen von Sekunden bereitet es den Körper auf “Fight, Flight or Freeze” vor.
Wo liegt der Ursprung der Angsterkrankungen?
Angsterkrankungen werden zu ca. 50 Prozent vererbt. Bei einer Angsterkrankung in den Genen trägt die Person ein erhöhtes Risiko für eine Angsterkrankung. Ob diese tatsächlich ausbricht, hängt auch von äußeren Einflüssen wie Stress, belastenden Ereignissen in der Kindheit oder im aktuellen Leben ab.
Häufig auftretende Angsterkrankungen
Panikstörung
Betroffene werden von plötzlichen Panikattacken überfallen. Massive Angst wird von den oben beschriebenen Symptomen begleitet: das Herz rast, es schlägt unregelmäßig, zittern und schwitzen tritt ein. Das Gefühl, man könne in Ohnmacht fallen oder ersticken. Viele Betroffene fürchten, die Kontrolle zu verlieren, wahnsinnig zu werden oder zu sterben. Panikattacken können plötzlich auftreten oder in speziellen Situationen oder an bestimmten Orten. Eine Panikstörung wird häufig begleitet von einer Agoraphobie.
Agoraphobie
Bei der Agoraphobie oder Platzangst wird die Angst durch bestimmte Orte (Bus, Bahn, Flugzeug, Fahrstuhl) und Situationen wie weite Plätze oder Menschengedränge (Konzert, Supermarkt) ausgelöst.
Generalisierte Angststörung
Ständige Sorgen, auch wenn es dafür keinen Grund gibt, quälen die Betroffenen. Sie werden begleitet von permanenter Anspannung und Furcht.z.B. Angst vor einer schweren Erkrankung, einem Unfall, vor Verarmung und vor dem Eintreten einer Katastrophe.
Wie Menschen mit einer Panikstörung leiden auch die von einer generalisierten Angststörung betroffenen Personen an körperlichen Symptomen wie Herzklopfen, Zittern und Schwindel, allerdings dauerhaft. Sie sind häufig unkonzentriert, gereizt, die Muskeln verkrampfen und sie können nur schwer einschlafen.
Soziale Phobie
Leiden Personen unter sozialen Phobien, vermeiden sie Situationen, in denen sie fürchten, sich zu blamieren oder von anderen negativ beurteilt zu werden. Z.B. sich in einem Meeting zu Wort zu melden, vor Gericht als Zeuge auszusagen, Behördengänge, einem Mann/einer Frau zu begegnen, löst bei den Betroffenen sozialer Phobien Angst aus. Sie erröten häufig, ihre Hände zittern, das Herz schlägt ihnen bis zum Hals, ihnen ist übel, die Blase drückt, die Beine sind weich. Daraus entsteht die Kontaktvermeidung mit anderen Menschen, was bis hin zur sozialen Isolation führen kann.
Spezifische Phobien
Von spezifischen Phobien betroffene Personen haben große Angst vor beispielsweise Katzen, Mäuse, Vögel oder Spinnen. Ihre Angst kann sich aber auch auf tiefes Wasser, hohe Berge, Gewitter, Dunkelheit, den Arztbesuch oder Injektionen beziehen. Betroffene fürchten sich somit vor einem bestimmten Objekt oder einer speziellen Situation.
Aus Angst und Panik können Depressionen entstehen oder umgekehrt
Neurophysiologisch lässt sich dies durch den Mangel an Serotonin, dem Botenstoff im Hirn, der auch als Glückshormon bekannt ist, erklären. Angststörungen sind noch vor den Depressionen die häufigsten psychischen Erkrankungen überhaupt. Nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (kurz: DGPPN) wird rund die Hälfte aller Angststörungen nicht erkannt und daher nicht richtig behandelt. Daraus können Chronifizierung und Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Sucht entstehen.
Auslöser für Angststörungen können Stress oder belastende Arbeitssituationen sein. Manchmal sind sie auch physisch erklärbar. So kann auch gerade in Entspannungsmomenten Panik aufkommen.
Maßnahmen zur Bewältigung von Panikattacken
Professor Arno Deister, Präsident der DGPPN und Chefarzt des Zentrums für Psychosoziale Medizin im Klinikum Itzehoe beschreibt im Interview, dass es darum ginge, die Steuerung der Angst zu übernehmen. Ein erster Schritt hierbei sei das Eingestehen der Angst. Im zweiten Schritt werden die Auslöser der Angst analysiert und gemeinsam reflektiert, ob die Angst einer realen Bedrohung entspreche. Der dritte Schritt sei das Beherrschen der Angst und die Entwicklung von Bewältigungsstrategien.
2015 wurde eine Metanalyse von mehr als 200 Studien der Klinik für Psychiatrie, Universitätsmedizin Göttingen publiziert, die deutlich aufzeigt, dass Psychopharmaka bei der Behandlung von Angststörungen ausgesprochen wirksam sind. Begleitend zum Einsatz von Psychopharmaka lernen Betroffene in einer zusätzlichen Psychotherapie, sich ihrer Angst zu stellen. Schlussendlich lernt das Gehirn durch Handlungen. Professor Bandelow erklärt: „Das evolutionsgeschichtlich uralte Stammhirn versteht keine Worte. Es muss durch Handlungen lernen, dass keine Gefahr droht.“ In der Therapie ist das Ziel, das Erfahren der nachlassenden Angstsymptome in furchtbesetzten Situationen.
Allgemein und jederzeit anwendbare hilfreiche Maßnahmen können Entspannungsübungen aus dem MBSR-, dem Achtsamkeitstraining oder der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobsen sein. Zudem helfen auch Tagebücher zur Selbstreflektion und Selbstbeobachtung sowie um bereits kleine Erfolge festzuhalten und sichtbar zu machen.
Mario Hauff war vor kurzem als Impulsgeber beim MeetUp zum Thema “Was tun bei Angst- und Panikattacken (im Job)?” zu Gast und gab uns zudem noch den Tipp, die Boxatmung zu erproben und regelmäßigen Ausdauersport zu betreiben, um nicht nur Angst- und Panikattacken sondern auch ganz allgemein Stress vorzubeugen. Mario erläuterte uns zudem auch das Gehirn-Aufzugs-Modell nach Gerald Hüther, schau gern mal in das Video dazu rein: https://youtu.be/Pr51d2mD-GU
Leidest du selbst immer mal wieder unter Panikattacken, vor allem ausgelöst durch Deine berufliche Situation, dann melde Dich jederzeit sehr gern, so dass wir ausloten können, wer für Dich die richtige Ansprechperson ist.
Link- und Lesetipps
Gerald Hüther | https://youtu.be/czvu1BAeAIo |
Angststörungen | https://www.gbe-bund.de/gbe/abrechnung.prc_abr_test_logon?p_uid=gast&p_aid=0&p_knoten=FID&p_sprache=D&p_suchstring=25399 |
Panikstörung | https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-540-47958-1_16 |
Box-Atmung-App | https://play.google.com/store/apps/details?id=pl.orbitemobile.breathair&hl=de&gl=US |
Vulnerabilitäts-Stress-Modell | https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/vulnerabilitaets-stress-modell |
App-Empfehlung |
https://www.novartis.de/aktuelles/digitaler-gesundheitspreis/unsere-alumnis/panikattacken-und-platzangst-verstaerkt-durch |
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