Hochsensitivität – ein Persönlichkeitsmerkmal
In etwa 20% der Menschen unserer Bevölkerung zeichnet das Persönlichkeitsmerkmal Hochsensitivität aus. Diese Menschen verfügen über die besondere Kompetenz einer vielschichtigen und übermäßigen Wahrnehmung von Informationen.
Elaine Aron hat sich der „High Sensitivity“ in den 90er Jahren gewidmet und diese erforscht. Bei uns in Deutschland wird dieses Persönlichkeitsmerkmal häufig mit Hochsensibilität übersetzt. Leider schwingt in dieser Übersetzung häufig eine starke Bewertung mit. Sensibilität ist in einer Gesellschaft, die „höher-schneller-weiter“ als Leitmotiv in sich trägt, keine wirklich akzeptierte und tolerierte Eigenschaft.
In einer Veranstaltung des BVMW habe ich im Rahmen des Führungssalons ein wenig mehr zum Thema Hochsensitivität – Hochsensibilität erfahren dürfen. Als Systemikerin gefiel mir insbesondere der wertschätzende und annehmende Blick des Referenten Christian Schneider (Aurum Cordis) auf Menschen, die über das Persönlichkeitsmerkmal Hochsensitivität verfügen. Dort hieß es:
Hochsensitive Menschen nehmen mehr Informationen über verschiedene Ebenen auf – vor allem kognitiv und emotional. Zudem weisen sie häufig eine übermäßige Empathie auf.
Das Gehirn von hochsensitiven Menschen hat diese große Menge an Informationen zu verarbeiten, die auf das autonome Nervensystem wirken. Häufig wird dadurch eine große Menge an Adrenalin ausgeschüttet. Adrenalin ist das sogenannte Stresshormon. Es unterstützt uns dabei, leistungsfähig zu bleiben. Dauerhaft ausgeschüttet belastet es jedoch unseren Körper und Geist. So ist es für hochsensitive Menschen noch wichtiger als für andere Menschen für Ausgleich und Entspannung zu sorgen. Insbesondere die Ausschüttung des Hormons Oxytocin kann hier helfen. Oxytocin, als Bindungshormon bekannt, beeinflusst Adrenalin positiv.
„Gerade hochsensitive Menschen, mit ihrer Fähigkeit einen tiefen Kontakt mit Menschen aufbauen zu können, profitieren hiervon „, so Christian Schneider.
Sie können durch intensiven Beziehungs- und Gesprächsaufbau ihr Stresslevel reduzieren.
Eigenschaften hochsensitiver Menschen
Aktuell gibt es noch keinen wissenschaftlich anerkannten veröffentlichten Test, der es erlaubt, eine fundierte Diagnose zu stellen, ob ein Mensch als hochsensitiv einzuschätzen ist. Christian Schneider beschrieb jedoch Eigenschaften, die häufig bei hochsensitiven Menschen zu finden seien:
- Hochsensitive Menschen seien suchende Menschen. Sie tragen die Sehnsucht in sich, etwas zu finden.
- Diese Menschen haben einen starken Veränderungsimpuls (im Innen und im Außen). Sie möchten wirksam werden.
- Ihr Wertesystem ist intensiv. Sie tragen ein starkes Bedürfnis in sich, ihre Werte leben zu können.
Auf der Veranstaltung kam die Frage auf, wie man als Führungskraft die Eigenschaft Hochsensitivität erkennen und den/die MitarbeiterIn schützen könne. Nicht jedes „Symptom“, jede Verhaltensweise, die hochsensitive Menschen ausmachen, sind eindeutig. Oftmals können sie auch einen Hinweis auf andere Persönlichkeitsmerkmale sein und sind vielfältig zu deuten.
Sich seiner selbst bewusst sein
Mein eigener Gedanke dazu ist, dass nicht jeder „hochsensitive“ Menschen eine „Kennzeichnung“ benötigt. Hilfreich wäre für die Person mit diesem Merkmal, dass sie selbst darüber Bescheid weiß. Also sich selbst gut kennt oder sich ihrer verschiedenen Anteile bewusst ist. Denn im Kontakt zu sich selbst kann man am ehesten herausfinden, wie es einem aktuell geht und was es braucht, sollte die Gesundheit oder auch mentale Balance ins Wanken geraten. Somit sei hier noch einmal der Appell ausgesprochen, für unser Wohl selbst Verantwortung zu übernehmemn. Arbeitgeber können empathisch und offen ihren Mitarbeitenden gegenüber treten. Nicht nur mit einer Haltung von Wertschätzung und Akzeptanz von Verschiedenheit, sondern vielleicht auch durch das Anbieten von Informationsveranstaltungen zum Thema Hochsensitivität und weiteren Themen, z.B. im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Geraten Menschen außer Balance, zeigen sich häufig Symptome wie Konflikte, vermehrte Flurgespräche, Gereiztheit oder auch eine höhere Fehlzeitenquote. Es lohnt sich, dort genauer hinzuschauen und einer mögliche Ursache für diese Symptome im Arbeitskontext auf den Grund zu gehen. Und vor allem das Gespräch zu suchen.
Sind wir selbst mit diesem Merkmal ausgestattet, sind nicht nur ein individuelles Stressmanagement, insbesondere das Trainieren von Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst und anderen hilfreich. Sollten Symptome einer Überreizung ihren Weg nach außen finden, sollte man für sich prüfen, ob die jeweiligen Arbeits- und Lebensumständen auf die individuellen Bedürfnisse einer hochsensitiven Person passen oder es hier einer Veränderung bedarf.
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