Meine Mitarbeiterin riecht unangenehm

Meine Mitarbeiterin riecht unangenehm

Vor kurzem erreichte mich die Frage einer jungen Führungskraft:

„Wie reagiere ich auf eine Mitarbeiterin, die häufig unangenehm riecht?“

Man könnte nun meinen, welche eine Lapalie, und dieser Geschichte einen Blogbeitrag widmen? Auf jeden Fall. Diese Situation ist so ein wunderbares Beispiel für Kultur, Muster, Regelwerk von Organisationen, welches in Verhalten und Kommunikation seinen Ausdruck findet.

Störungen finden ihren Weg

Körpergeruch hat in unserer Welt, insbesondere in der Arbeitswelt, oftmals mit Scham zu tun. In dem wir jemanden nicht darauf ansprechen, schützen wir seine oder ihre Intimsphäre und kommen dieser Person nicht allzu nah. Was jedoch häufig geschieht – jedes Störverhalten sucht sich systemisch betrachtet einen Kanal -, ist, dass über diese Person im Stillen gesprochen wird. „Hast du es auch schon wahrgenommen? Sie riecht schon wieder.“ Das Gemurmel ist meist gleichbleibend, wenn nicht sogar lauter werdend. Die Steigerung wäre, dieser Person ein Deo auf den Tisch zu stellen. Und wie wir wissen, kann man nicht nicht kommunizieren und dieses Verhalten wird eine Reaktion zur Folge haben. Die Frage ist nur, ob diese die gewünschte ist.

Wird also der Geruch nicht angesprochen, scheint ein Satz innerhalb des Teams, vielleicht sogar innerhalb der Organisation zu gelten „Wir dürfen einander nicht in eine peinliche Situation bringen.“. Nur als Beispiel, vielleicht würden die Beteiligten es auch anders formulieren. Dies gilt übrigens auch häufig in Situationen, in denen Menschen Fehler machen. Andere nehmen es wahr, jedoch herrscht in manchen Kontexten die unausgesprochene Regel, dass Fehler nicht offen angesprochen werden. Die Folge? Ähnlich wie beim Geruchsproblem entsteht auch hier Gemurmel. Für mich sind Gemurmel, steigende Anzahl an Teekückengespräche oder manchmal auch bcc-Mails hervorragende Symptome, die darauf hindeuten, dass ein System ein wenig aus der Balance geraten ist.

Keine Chance dem Flurfunk

Wie nun die Balance wieder herstellen und vor allem, wie sollte sich die Führungskraft gegenüber der streng riechenden Mitarbeiterin verhalten? So einige von uns werden den Ausspruch „Störungen gehen vor“ kennen. Dieser soll bedeuten, dass Störungen eines Systems möglichst schnell angesprochen und auf den Weg einer Lösung gebracht werden. Oftmals helfen da kommunikationspsychologischen Modelle, um trotz Störung ein gutes Gespräch zu ermöglichen. Was mir persönlich hilft oder ich auch gern an meine Klient*innen und Kund*innen weitergebe, ist dazu noch das Bewusstsein über die eigenen Werte und Haltung und zudem der Perspektivwechsel:

Dürfen wir wirklich nicht Situationen oder Dinge ansprechen, die mit Scham behaftet sind? Wie mag es der nicht gut riechenden Person wohl damit gehen? Wie würdest du als betroffene Person behandelt werden wollen? Vielleicht ahnt die Person nichts, merkt den Geruch selbst nicht und wäre dankbar für den Hinweis.

Vielleicht ist es auch so, dass ein Gespräch darüber erst ein Anfang ist. Im Beispiel von oben erhielt ich ergänzende Informationen, dass die Person häufiger im Gespräch mit dem Vorgesetzten unter Druck und Stress gerät. Die Hypothese des Vorgesetzten lautet somit, dass er indirekt Einfluss auf den Körpergeruch hat. Würde er nun das Gespräch suchen, sollte er mit verschiedenen Reaktionen rechnen. Hier ist die so oft in Stellenanzeigen gewünschte Flexibilität tatsächlich mal gefordert. Gepaart mit einer gewissen Offenheit und Lösungsorientierung und dazu noch einer wertschätzenden empathischen Haltung gegenüber der Mitarbeiterin.

Haltung, Werte & Kommunikation

Für ein solches Gespräch ganz konkret würde ich auf das GfK-Modell verweisen. Ich kann nur empfehlen über die eigene Haltung („ich spreche auch schambehaftete Situationen an“ oder „ich möchte ehrlich mit meinen Mitarbeiter*innen sein“) vor einem solchen Gespräch zu reflektieren und diese so auszurichten, dass Empathie und Verständnis im Gespräch spürbar werden. Mit ruhigen Worten aus der eigenen Perspektive beschreiben, was man wahrnimmt. Bitte hier nicht im „wir“ sprechen, das könnte bedrohlich auf die betroffene Person wirken. Und vielleicht im nächsten Schritt erst einmal erfragen, ob die Person den Geruch bereits selbst wahrgenommen hat. Unterstützung anbieten und dazu aber auch ganz klar den Wunsch adressieren, dass der Geruch reduziert wird, wenn er bei einem selbst als störend wahrgenommen wird. Vielleicht können gemeinsam Lösungen je nach Situation entwickelt werden. Und zudem verständigt Euch am Ende des Gespräches auf das weitere Vorgehen. Soll zum Beispiel die Führungskraft ein Signal geben, wenn der Geruch wieder wahrgenommen wird? Verabredet man einen weiteren Termin? Ist vielleicht auch die Ursache in berufsbedingter Belastung zu sehen, für die Abbhilfe geschaffen werden sollte?

Kommunikation und Verhalten prägen Kultur und ermöglichen Veränderungen

Mit diesen Kommunikations- und Verhaltensweisen prägt ihr übrigens Eure Kultur. Insbesondere als Führungskraft hast du einen erheblichen Einfluss darauf. Wenn die Erfahrung gemacht wird, dass offen miteinander gesprochen wird und somit wie in diesem Beispiel der Wert Ehrlichkeit hochgehalten wird und Scham nur bedingt eine Chance hat, dann könnte dieses Nachahmer finden. Mal davon abgesehen, dass dem Flurfunk somit wenig Raum geboten wird, der Zusammenhalt anders beeinflusst und vielleicht sogar indirekt Einfluss auf Wohlbefinden und Produktivität genommen werden kann. Es lohnt sich somit, über die eigene Haltung, Werte, Muster, Regeln und Kommunikation in Reflektion zu gehen und auf der Kommunikations- und Verhaltensebene anzusetzen, um die Organisationskultur zu prägen, vielleicht sogar zu verändern.

Hast du Fragen zu dem aufgeführten Beispiel oder gibt es ähnliche herausfordernde Situationen, zu denen du Dir eine andere Perspektive wünschst? Schreib mir gern und ich antworte Dir in einem nächsten Blogbeitrag.

 

 

 

 

Geschrieben von:

Sandra Brauer

Sandra Brauer, Diplom-Kauffrau (FH), Systemische Beraterin (DGSF-zertifiziert), Stressmanagement-Trainerin, Prozessbegleiterin in der digitalen Transformation, Lehrauftrag an der FOM Hochschule Hamburg; Gründerin des Systemischen Netzwerks, Autorin im Junfermann Verlag. Schwerpunkte: Coaching von Einzelpersonen und Teams, Vermittlung digitaler Kompetenzen weitere Websiten: https://systemischesnetzwerk.de

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2 KOMMENTARE

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Sabina Potthoff

Hallo, ich habe das Problem, einem Ehrenamtlichen Mitarbeiter kommunizieren zu müssen, dass er unangenehm riecht. Sein Einsatz würde in einem Großraumbüro stattfinden. Bei einer ersten Probestunde bei offener Tür und Fenster war die Geruchsbelästigung so groß, dass einer Kollegin schlecht wurde. Der Ehrenamtler ist auch noch in einem anderen Bereich (draußen) seit mehr als 10 Jahren aktiv und unserer Organisation (NGO Naturschutz) sehr verbunden. Ich sehe ehrlich gesagt nicht, dass er drinnen mitarbeiten kann und insofern ist der Aspekt „nach Lösungen suchen“ schwierig umszusetzen und zu kommunizieren.

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    Sandra Brauer

    Liebe Sabine, ich hoffe, dass „du“ ist okay für Dich? Vielen Dank für´s Teilen. Aus meinem Bekanntenkreis erreichte bereits schon einmal ein solcher Fall, verbunden mit der Frage, wie die Situation zu lösen sein. Ich habe dazu eine Podcast-Folge aufgenommen. Vielleicht magst du reinhören und schauen, ob da ein paar hilfreiche Impulse dabei sind? https://sandrabrauer.de/podcast/ Episode 007. Mein Podcast „Blickrichtung Zukunft“ ist auch zu finden auf Spotify & überall dort, wo es Podcasts gibt. Melde Dich gern bei weiteren Fragen. Herzliche Grüße, Sandra

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