Haltung und Werte im Wandel
Im Open Space zur Zukunft der Arbeit gab es am vergangenen Dienstag eine Session zum Thema Change. Wenn ich das Wort Change höre und insbesondere Change Management werde ich hellhörig, da es eines meiner Herzensthemen und Wirkungsbereiche ist. Ich schätze weiterhin die Formulierungen „Wandel gestalten“ und „Veränderungen begleiten“ sehr als von „managen“ zu sprechen.
Wir haben uns in der Session unter anderem der Frage gewidmet, wie man Menschen darin unterstützen kann, veränderungsbereiter zu werden. Nach der Unterhaltung waren wir uns einig: Es kommt immer darauf an. Auf den Menschen, auf das System, in dem dieser Mensch sich aktuell befindet und auf die Art und Weise der Kommunikation, die vor allem in Bezug auf die Veränderung von Seiten der Veränderungsinitiatoren betrieben wird.
Ganz gleich um was es geht, das Ziel der Veränderung sollte immer klar sein. Möchte man die Art der Zusammenarbeit verändern, neue digitale Werkzeuge einführen, Abteilungen auflösen oder zusammenführen sollte zunächst das Ziel kommuniziert werden.
- warum ist die Vergangenheit notwendig? (vergangenheitsorientiert)
- wozu dient die Veränderung? (zukunftsorientiert)
- was soll/darf und kann danach anders sein als zuvor?
- wie wird dieser Weg gestaltet?
- welche Einflussfaktoren sind bekannt, welche noch unbekannt?
Alles, was danach an kommunikativen und anderen Maßnahmen erfolgt, ist auf den jeweiligen Veränderungskontext abzustimmen. Ich frage vor Workshops oder Beratungseinsätzen immer, wie die bisherige Veränderungserfahrung der betroffenen Mitarbeiter/innen ist. Zudem ist es nicht unwichtig, welche Persönlichkeitstypen es in den Abteilungen und Teams gibt. Nach dem Riemann-Thomann-Modell gibt es vier Grundtypen: der innovationsfreudige, der auf Verbleib und Dauer ausgerichtete, der Nähe und Distanztyp. Je nach Ausrichtung reagieren Menschen verschieden auf Veränderungen.
Was häufig für Akzeptanz sorgt, ist die Möglichkeit der Mitgestaltung. Also nicht das „vor vollendete Tatsachen“ stellen, sondern Angebote des Ausprobierens und der Mitgestaltung ermöglichen, soweit das Veränderungsprojekt dies zulässt. Man wird nicht vermeiden können, dass einige Menschen auf Veränderungen mit Widerständen reagieren. Diese als solche anzunehmen und ihnen Raum zu geben, ist meist hilfreich für den Prozess und sorgt ggf. für mehr Akzeptanz. Teilweise ist es auch möglich, dass weitreichende Veränderungen zur Folge haben, dass bisherige Mitarbeiter/innen nicht mehr in das System passen. Ich bin der Überzeugung, dass hier Offenheit, Transparenz und miteinander auf Augenhöhe im Gespräch sein, hilft. Nehmen wir mal an, man verabschiedet sich im Hier und Jetzt voneinander und hat sich professionell getrennt, so besteht die Möglichkeit, dass sich Wege in der Zukunft irgendwann mal wieder kreuzen und eine Zusammenarbeit wieder oder dann möglich ist.
Menschliche Reaktionen sowie auch Veränderungsprojekte sind nicht bis ins Detail planbar, daher ist grundsätzlich in Veränderungsprozessen mit Überraschungen zu rechnen. Für mich ist für viele Veränderungsinitiatoren und Führungskräfte immer wieder die große Herausforderung, eine menschliche Haltung im Veränderungsprozess zu wahren oder anzunehmen. Was meine ich damit? Mir geht es dabei um Werte, auf Basis derer man Veränderungen gestaltet und begleitet.
- Akzeptanz: Jeder Mensch reagiert abhängig von der eigenen Sozialisation, den Erfahrungswerten, seinem aktuellen Umfeld und seiner gesamten Lebenssituation anders auf Veränderungsprozesse. Hilfreich finde ich das Annehmen der Unterschiedlichkeit einzelner Beteiligter.
- Verständis und Empathie: als Voraussetzung, um diese Unterschiede zu erkennen, braucht es häufig Verständnis für andere Perspektiven des Gegenübers und meist auch einen Funken Empathie, um genau dies möglich zu machen.
- Zuversicht: Als einer der Resilienzfaktoren wird gern „das volle Glas“ genannt. Optimismus oder auch Zuversicht, dass die turbulenten Phasen einer Veränderung in etwas Gutes münden können, unterstützen die Widerstandsfähigkeit der am Veränderungsprozess beteiligten Personen.
- Miteinander: Zudem kann auch das gemeinsame Gestalten, das an einem Strang ziehen und Zusammenhalt spüren für Entlastung und auch zu Stärkung führen.
- Experimentierfreude und Mut: Christoph hat das heute ganz toll im Storylines-Blog beschrieben. Veränderungen werden meist durch zunächst kleine Schritte möglich; ausprobieren, sich Stück für Stück heranwagen an das Neue. Erfahrungen machen, experimentieren und dann weiter. Entweder auf dem gleichen Pfad oder neue Pfade erkunden.
- Geduld und Fehlerfreundlichkeit: Eine Veränderung geschieht meist nicht auf Knopfdruck. Unternehmen sind nicht sofort agil, Werte werden nicht plötzlich gelebt und Abteilungen sind nicht ad hoc reorganisiert. Veränderungen brauchen Zeit, Geduld und vor allem auch die Offenheit für Fehler. Experimentiert man auf neuen Wegen, dann können solche geschehen. Und das ist gut so. Durch diese lernt man ungemein, persönlich und als Organisation. Dietrich Bonhoeffer sagte mal dazu: „Den größten Fehler, den man machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen.“
- Offenheit: In der Achtsamkeit sprechen wir vom Anfängergeist oder dem neugierigen Blick eines Kindes, den man sich bewahren sollte. Den neugierigen Blick auf Andersartigkeit, Menschen, Innovationen, Neuerungen. Wie wäre es, wenn bei anstehenden Veränderungen, bevor das „aber“ folgt, zunächst erkundet wird, was sich dahinter alles verbergen könnte, an schönen Dingen und auch an Herausforderungen?
Beim Auflisten dieser Werte ist mir gerade nochmal bewusst geworden, dass diese natürlich nicht nur in Veränderungsprozessen gelebt werden sollten, sonder jegliches Miteinander im beruflichen und privaten Kontext angenehm(er) werden lassen. Jedoch gerade in Veränderungssituationen, die für viele Menschen Stress und eine besondere Belastung bedeuten, relevanter denn je, um turbulente Phasen gut zu überstehen und sich gegenseitig auf holprigen Wegen zu unterstützen.
Nun bin ich neugierig. Welches sind Deiner Meinung nach wesentliche Punkte, um Veränderungsprozesse zu gestalten und gut zu begleiten? Welche Erfahrungen hast du im beruflichen Kontext gemacht? Ganz gleich, ob als Initiator oder als von Veränderungen betroffene/r Mitarbeiter/in. Ich freu mich auf Deinen Kommentar oder Deine Nachricht.
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